Kolumne für Netzwerk Südbaden, Ausgabe März 2023, Erschienen unter dem Titel „Wie der Pizzaservice“
In der digitalen Welt sind die IT-Experten gefragter denn je. Um Lücken zu schließen und wettbewerbsfähig zu bleiben, setzen viele Unternehmen auf IT-Auslagerung. Das ist alternativlos angesichts des Fachkräftemangels, doch längst nicht allen klar.
Laut einem Bitkom-Bericht vom November 2022 fehlten allein in Deutschland 137.000 IT-Fachkräfte. Der Fachkräftemangel entwickele sich zum Haupthindernis bei der digitalen Transformation, so der Bitkom-Chef. Um diese Herausforderung zu meistern, sind Unternehmen gezwungen, IT-Prozesse an externe Dienstleister auszulagern. Um die Vorteile und Notwendigkeiten dieser Lösung zu verstehen, eignet sich eine Abstraktion der vier Stufen der IT-Auslagerung – On-Premise, Infrastructure as a Service (IaaS), Platform as a Service (PaaS) und Software as a Service (SaaS) – auf ein einfaches Alltagsbeispiel:
Nach einem langen Arbeitstag und einer Geduldsprobe im Stau des täglichen Berufsverkehrs komme ich gegen 18 Uhr endlich zu Hause an. Ich bin kaum in der Tür, da fragt mich mein Sohn bereits, was es heute denn zu essen gäbe. Eine einfache Antwort: Pizza! Doch welche Optionen dafür bieten sich mir?
Ich kann wählen, ob Ich die Pizza selbst backe, eine Tiefkühlpizza kaufe, die Pizza bestelle oder in ein Restaurant gehe. Für alle Varianten werden dieselben Ressourcen benötig: Zutaten wie Käse und Tomatensauce, Pizzateig, Backofen, Strom, Getränke und ein Tisch zum Essen. Der Unterschied besteht darin, wer welche Ressourcen bereitstellt. Mache Ich die Pizza selbst, bin ich für alles zuständig. Das ist nicht nur sehr zeit- und arbeitsaufwendig, sondern auch nicht jeden Tag möglich. Kaufe ich eine Tiefkühlpizza, spare ich das Herstellen der Pizza, zahle aber etwas mehr für die bereits erledigte Dienstleistung. Im Ofen backen sowie Tisch und Getränke bereitstellen muss ich nach wie vor selbst. Bei der bestellten Pizza brauche ich lediglich den Tisch und Getränke bereitstellen, den Rest übernimmt der Lieferant. Gehe ich jedoch in ein Restaurant, so muss ich mich um gar nichts kümmern. Ich bekomme die fertige Pizza und die Getränke am Tisch serviert, muss dafür aber auch am meisten bezahlen. Mit der Abgabe einzelner Fertigungsschritte an einen Dienstleister, kann ich meinen eigenen Arbeits- und Zeitaufwand reduzieren, muss dafür allerdings einen entsprechend höheren Betrag aufbringen. Auf welche Variante fällt die Entscheidung, gerade wenn die Zeit und Expertise für eine gute Pizza fehlt?
Die Parallele zu Digitalisierungsprojekten und zum Betrieb von IT-Applikationen im Unternehmen sind die Stufen der Auslagerung. So wird Pizza selbst zubereiten als IT-Betrieb „On-Premise“ bezeichnet –alles im eigenen Haus. Die Tiefkühlpizza ist gleich zu setzen mit Infrastructure-as-a-service (IaaS) und die Pizzalieferung mit Platform-as-a-service (PaaS). Die Königsdisziplin und der Charme von Software-as-a-Service (SaaS) spiegelt sich darin wider, auswärts zu essen.
Eines der besten Beispiele für eine erfolgreiche digitale Transformation und für ein erfolgreiches SaaS-Produkt ist Netflix. 1997 startete das Unternehmen als Onlinevideothek, danach verschickten sie DVDs und BluRays an deren Kunden. Im Jahr 2007 begann Netflix mit dem Streaming-Angebot, welches das bisherige Geschäftsmodell abgelöst hat. Die Videotheken verschwanden, und Netflix verdient heute sein Geld mit der Bereitstellung der Softwareplattform und dem Content.
Die Unternehmen sind gezwungen, IT-Prozesse auszulagern, um mit dem vorhandenen Fachpersonal die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern und neue Digitale Services zu entwickeln. Ansonsten werden Wettbewerber und andere Unternehmen sie verdrängen.
Der Autor
Julian Sayer ist Vorstand für Vertrieb, Marketing und Entwicklung der Continum AG. Das Freiburger Hostingunternehmen ist AWS-, Microsoft Azure sowie IONOS Partner und unterstützt Unternehmen auf dem sicheren Weg in die Cloud.